Ein Jahr Mitteldeutsches Krebszentrum. Wie sieht Ihre Bilanz aus?
Prof. Hochhaus: „Versorgungslücken schließen“ ist das Motto des Weltkrebstags und ein Hauptziel des Mitteldeutschen Krebszentrums (CCCG). Dieser Aufruf zum Handeln liegt jedes der breitgefächerten, gemeinsamen Vorhaben der beiden Universitätskliniken und des Netzwerks der kooperierenden onkologischen Versorgungszentren in Thüringen und der Region um Leipzig zugrunde.
Neben der vielschichtigen Zusammenarbeit des CCCG in den Bereichen regionaler Vernetzung, Patientenbeteiligung, Pflege und Klinischen- und Grundlagenforschung, möchte ich hier besonders die Etablierung des gemeinsamen molekularen Tumorboards im CCCG hervorheben. Davon profitieren besonders Patient:innen mit fortgeschrittenen und metastasierten Tumorstadien.
Wie das?
Prof. Hochhaus: Durch das Erkennen der molekularen und genetischen Veränderungen, die den Krebs verursachen. Patientenspezifische molekulare Profile können den Schlüssel zu neuen Optionen für Patient:innen mit fortgeschrittener Krankheit liefern oder für diejenigen, bei denen Standardtherapien nicht erfolgreich waren.
An der Standort-übergreifenden virtuellen Konferenz nehmen behandelnde Ärzte, Genetiker, Bioinformatiker, Pathologen und Therapeuten teil, um die molekularer Ursachen eines Tumors zu analysieren und dadurch neue Therapieoptionen zu finden.
Vielversprechende neuartige Behandlungsansätze werden im Rahmen klinischer Studien geprüft, was durch die Eröffnung der Jena Early Clinical Trial Unit (JECTU) im August 2023 unterstützt wird.
In Zusammenarbeit mit der vergleichbaren Phase-I Studieneinheit am Standort Leipzig (ECTUL) werden Synergien genutzt, um das Angebot klinischer Studien und die wohnortnahe Therapie zu verbessern.
Das Mitteldeutsche Krebszentrum hat zum Ziel, die Krebsbehandlung, die an den Unikliniken Jena und Leipzig möglich ist, perspektivisch auch allen Patientinnen und Patienten im ländlichen Raum zu teil werden zu lassen. Der Leitsatz heißt dabei „Versorgungslücken schließen“. Sind wir hier vorwärts gekommen?
Prof. Hochhaus: Ja, ein ganzes Stück! Die Region Mitteldeutschland ist sehr ländlich geprägt und die infrastrukturelle Anbindung stellt insbesondere bei der Entscheidung zu komplexen Behandlungsstrategien mit häufigen Therapie- und Kontrollterminen für viele Betroffene eine unzumutbare Bedingung dar. Mit dem Projekt „WeCare“ können wir über eine einfach handhabbare Zweitmeinungs- bzw. Konsultationsplattform in Form von Videosprechstunden, allen Patientinnen und Patienten einen niederschwelligen Zugang zu mondernster Diagnostik und Therapie in der Krebsbehandlung ermöglichen. Für das Gelingen des Projektes ist die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit unseren Kooperationspartnern von essentieller Bedeutung.
Hinzu kommt ein entscheidender Vorteil des CCCGs: auch Patienten anderer Krankenhäuser und niedergelassener ärztlicher Kolleg:innen können in den Tumorkonferenzen vorgestellt werden. So profitieren auch Patienten von modernen Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten, die nicht direkt am UKJ oder UKL behandelt werden.
Wie sehen die nächsten Schritte aus?
Prof. Hochhaus: Wir setzen uns für die Entwicklung der personalisierten Onkologie ein. Umfangreiche Diagnostik soll die Therapie des Tumors spezifischer machen. Neben Aufwendungen für genetische Analysen sind hier auch strukturelle Entwicklungen geplant, um neue Angebote für die Region machen zu können. Hierbei ist auch die Unterstützung der Länder und Krankenkassen von entscheidender Bedeutung.
Ein weiterer Schwerpunkt für das CCCG Standort Jena wird 2024 darauf liegen, den Krebsbetroffenen in Thüringen den Zugang zu den innovativsten Behandlungsmethoden zu erleichtern, unabhängig davon, wo sie leben. Werkzeuge werden entwickelt und Kooperationen gestärkt, die die Teilnahme an klinischen Studien in der gesamten Region erleichtern. Das CCCG arbeitet gemeinsam mit den CCCs bundesweit am Projekt ONCOnnect, ein großangelegtes, konzertiertes Vorhaben zur Entwicklung und Umsetzung regionaler kooperativer Infrastrukturen auf dem Gebiet der Krebsbehandlung und -prävention.
Nicht zuletzt möchte ich Sie gern noch zu unserem Patiententag „Neue Wege gehen in der Krebsbehandlung – ein Tag für Betroffene“ am Samstag, 13. April 2024, in Jena einladen. Lernen Sie uns kennen – wir freuen uns auf einen spannenden Tag mit verschiedenen Impulsvorträgen, Diskussionsrunden, interaktiven Workshops und den Austausch mit Ihnen!